Jean-Michel Basquiat im Markt-Check – Radikale Gesten und Zeichen

2020-11-24T09:44:06+01:00investing|

von Helmut Kronthaler

Die Gemälde des jung verstorbenen New Yorker Künstlers Jean-Michel Basquiat gehören auf dem internationalen Auktionsmarkt aktuell zu den gesuchtesten Werken der Kunst der 1980er Jahre. Ihre Preise erweisen sich seit mehreren Jahren als stabil. 

Der Züricher Galerist Bruno Bischofberger spielte eine zentrale Rolle bei der Entdeckung und frühen internationalen Rezeption des Schaffens des New Yorker Künstlers Jean-Michel Basquiat. Bereits im Jahr 1981 wurde er auf die Arbeiten des jungen Afroamerikaners aufmerksam, der sich zunächst im Umfeld der lokalen Underground-Musikszene bewegte und als „Street Poet“ mit dem Tag SAMO© seine Spuren auf Hauswänden in Downtown Manhattan hinterließ. Schon bald aber begann Basquiat als Autodidakt zu zeichnen und zu malen und traf mit seinen radikalen, gestisch-expressiven Motiven den Geschmack der Zeit. Für Bischofberger fügten sich die Bilder in geradezu idealer Weise in den Kontext neoexpressionistischer Malerei ein, die unter Schlagworten wie Transavanguardia oder Neue Wilde Anfang der 1980er Jahre den zeitgenössischen Kunstmarkt stürmte.

Der bestens vernetzte Schweizer Kunsthändler begleitete und förderte die Entwicklung seines jungen Stars bis zu dessem tragischen frühen Tod. Insbesondere regte er auch Basquiats aufsehenerregende Kooperationen mit Francesco Clemente und Andy Warhol an. Für eher konservative Kunstkritiker der New Yorker Szene wie Robert Hughes freilich galt Basquiat bestenfalls als „Graffitikünstler“, als ein schöpferisch kaum talentierter, vor allem wegen der vermeintlichen Exotik und Radikalität seiner Motive beachteter Außenseiter. Wie falsch er mit dieser Einschätzung lag, zeigt sich aktuell gerade im Auktionsmarkt. Seit rund zehn Jahren scheint es hier bei der Preissteigerung für Basquiats Werk kaum mehr Grenzen zu geben.

Die am 18. Mai 2017 von Sotheby’s New York versteigerte Leinwandarbeit „ohne Titel“ von 1982, offenbar ein in wilder Manier hingeworfenes Selbstporträt des Künstlers, erzielte einen Zuschlag bei 98 Millionen Dollar (alle Preisangaben ohne Aufgeld). Dieser bis heute gültige Auktionsrekord, der im Moment durchaus noch als einmaliger „Ausrutscher“ nach oben zu verstehen ist, liegt um fast das Doppelte über dem Kaufpreis des aktuell zweitplatzierten, im selben Jahr entstandenen Gemäldes „ohne Titel“, das am 10. Mai 2016 bei Christie’s New York für 51 Millionen Dollar den Besitzer wechselte.

Überblickt man die Entwicklung der gesamten Auktionsergebnisse der letzten fünf Jahre, so lässt sich für größere Leinwandarbeiten Basquiats der Jahre von 1981 bis 1984 ein durchschnittlicher Preisrahmen zwischen 20 bis 30 Millionen Dollar konstatieren. Der Markt scheint somit stabil – zumindest in diesem Segment. Etwas uneinheitlicher präsentieren sich dagegen die Verkaufserlöse für Arbeiten auf Papier. Hier rangiert ein unbetiteltes Aquarell von 1982 auf dem ersten Platz, das von Christie’s New York am 11. Mai 2015 für 12 Millionen Dollar verkauft worden ist. Abhängig von Motiv, Technik und Format werden einzelne Blätter derzeit aber auch für deutlich geringere Preise gehandelt, wie das Beispiel einer am 12. Februar 2020 von Christie’s London bei 500 000 Pfund zugeschlagenen, ebenfalls aus dem Jahr 1982 stammenden farbigen Zeichnung belegt.

Dass das Sammlerinteresse für Werke von Jean-Michel Basquiat gerade in der Gegenwart noch zunehmen könnte, liegt nicht zuletzt daran, dass sein Schaffen noch immer oft im Kontext von Street und Outsider Art rezipiert wird. In Zeiten, in denen Aktivisten und Künstler wie Banksy oder KAWS (Brian Donnelly) die Schlagzeilen der aktuellen Kunstberichterstattung beherrschen, ist es daher kaum verwunderlich, dass auch deren (vermeitliche) Vorläufer wie Keith Haring oder eben Basquiat wieder verstärkt in den Fokus rücken. Trotz der formalen Verwandtschaft mit Graffiti-Ästhetik oder häufig anzutreffenden Anleihen aus der Hip-Hop-Kultur lässt sich das radikale Schaffen des afroamerikanischen Künstlers allerdings nicht auf diese Wurzeln reduzieren. Aus heutiger kunsthistorischer Sicht gehört es längst in den Kontext der internationalen neoexpressionistischen Tendenzen der 1980er Jahre.

Ausstellungen

22. Februar bis 21. Juni 2020: 30 Americans, Honolulu Museum of Art, Honolulu, HI

Galerien

Gagosian, London, New York u.a.

Galerie Bruno Bischofberger, Männedorf-Zürich

Nahmad Contemporary, New York

Markteinschätzung

Die Auktionserlöse für Arbeiten von Jean-Michel Basquiat erweisen sich aktuell auf hohem Niveau als stabil. Insbesondere bei den gesuchten großformatigen frühen Werken ist aber durchaus auch mit steigenden Preisen zu rechnen.

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